Wie käuflich ist die NRW-Landesregierung – Jan Bühlbecker: CDU und FDP müssen Verbindungen in die Wirtschaft aufklären

Erneut machen Meldungen über eine erhebliche Lobby-Abhänigkeit der Landesregierung aus CDU und FDP die Runde: Mitglieder des sogenannten Corona-Expertenrates sollen rund um die letzten Wahlen an die CDU von Ministerpräsident Armin Laschet gespendet haben. Der erste Lobby-Skandal dieser Landesregierung ist das längst nicht. Zur Erinnerung: Bereits im vorletzten Jahr gab es eine fragwürdige Auftragsvergabe durch Kultusministerin Yvonne Gebauer (FDP) an eine FDP-Spenderin – Wir erinnern uns:

Am 10. August 2017 geht bei der FDP eine Spende der Unternehmerin Verena Pausder über 50.100 Euro ein. Pausder ist Gründerin und Geschäftsführerin der „Haba Digital GmbH“, die Grundschulkinder die digitale Welt nahe bringen will. Außerdem sitzt sie im Wirtschaftsforum der FDP. Ein gutes Jahr später erhält Pausders Haba Digital GmbH vom Schulministerium in Nordrhein-Westfalen den Auftrag für eine „Mobile Digitalwerkstatt“: Ein Bus soll alle 53 Schulbezirke bereisen und dabei für die Chancen der Digitalisierung im Unterricht werben. Das Volumen beläuft sich nach Ministeriumsangaben zunächst auf gut 600.000 Euro, vertraglich wird die Möglichkeit einer „Leistungserweiterung“ vereinbart. Dadurch liegt das Auftragsvolumen am Ende deutlich über dem Schwellenwert von 750.000 Euro, ab dem eine EU-weite Ausschreibung zwingend ist. Doch auf eine Ausschreibung verzichtete man im Schulministerium gleich grundsätzlich, in dem man sich auf eine angebliche Monopolstellung der Haba Digital GmbH berief, die jedoch nicht nachzuweisen ist.

 

Jan Bühlbecker: Mehr Lobbyeinfluss als bei dieser Regierung geht gar nicht

„Yvonne Gebauer und ihr Staatssekretär schienen damals das Bildungsministerium als Selbstbedinungsladen zu sehen und es ist regelrecht unverständlich, dass sie damit durchgekommen, an einem Rücktritt vorbei gekommen sind, sind. Kultusministerin Gebauer macht jedoch auch in der aktuellen Corona-Krise eine brutal unglückliche Figur, ihre Partei, die FDP, verhinderte deswegen sogar jüngst Livestreams aus Landtagsausschüssen. Und all das steht unter dem bekannten Muster, dass die FDP ihre Wirtschaftsabhänigkeit nicht in den Griff bekommt“, kritisiert für die SPD in Wattenscheid-Mitte und Westenfeld sowie die Jusos Wattenscheid Jan Bühlbecker.

Der SPD-Kommunalpolitiker weiter: „Doch schon vor Gebauer gab es weitreichende Lobby-Skandale rund um CDU und FDP in NRW: Medienminister Stephan Holthoff-Pförtner musste sein Amt aufgeben, weil er als Funke-Gesellschafter nicht über die notwendige Unabhänigkeit verfügte und Umweltministerin Christina Schulze Föcking, weil sie einen Mast-Betrieb besitzt, gegen den ihr eigenes Ministerium wegen mutmaßlichen Verstößen gegen das Tierwohl ermittelte und sie sich anschließend massiv in Widersprüche verstrickte. Der Vorsitzende einer Landes-Kommission zur inneren Sicherheit, Wolfgang Bosbach, ist gleichzeitig Aufsichtsratsmitglied der privaten Sicherheitsfirma Stölting, die neue Heimatministerin Ina Scharrenbach sieht Fördermittel bevorzugt in ihrem Wahlkreis eingesetzt und der Brexit-Beauftragte der Regierung, Friedrich Merz, ist für Blackrock tätig – Mehr Lobbyeinfluss als ei dieser Landesregierung geht gar nicht.“

 

Auch Wirtschaftsverbindungen im Expertenrat

Jüngst geriet nun auch noch der von NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) einberufene „Expertenrat Corona“ wegen seiner Zusammensetzung in die Kritik. Denn die dem Gremium angehörende Unternehmerin Nicola Leibinger-Kammüller, unter anderem Vorsitzende der Geschäftsführung beim Maschinenbauer „Trumpf“, hat laut Rechenschaftsberichten in der Vergangenheit an die CDU gespendet. Als Privatperson spendete sie im Wahljahr 2017 18.600 Euro an die CDU. Die Firma „Trumpf“ ließ 2017 der CDU Parteispenden in Höhe von 100.000 Euro zukommen, der FDP 50.000 Euro.

Der Expertenrat der Landesregierung hatte am Osterwochenende diverse Empfehlungen veröffentlicht. Unter anderem wurde ein Weg empfohlen, „einzelne Bereiche des öffentlichen Lebens nach und nach wieder zuzulassen“. Dazu gehörten Schulen, Universitäten und der Einzelhandel.

Auch hieran übt Jan Bühlbecker deutliche Kritik: „Die Landesregierung erweckt mit einem solchen Vorgehen den Eindruck, dass man sich politischen Einfluss in NRW kaufen kann. Unabhänig davon ob dies so ist, ist bereits dieser Eindruck fatal und muss dringend korrigiert werden. Beteuerungen, wonach dies nicht so sei, reichen nicht aus, CDU und FDP müssen im Gegenteil druch konkrete Handlungen Vertrauen zurück gewinnen: Entweder zahlen sie die Spende an Frau Leibinger-Kammüller zurück oder sie entlassen die Geschäftsführerin der Firma Trumpf aus dem Expertenrat. Übrigens: Dem Expertenrat gehören auch nur Arbeitgebervertreter*innen an, Gewerkschaften fehlen völlig. Auch das zeigt nochmal deutlich, welche Prioritäten diese Landesregierung setzt!“

 

Verbindungen zwischen CDU-Parteisependern und Heinsbergstudie

Doch auch dabei bleibt es nicht. Die beschriebenen Lockerungen für den Einzelhandel und auch für Möbelhäuser haben manchen Unternehmer*innen in dieser Woche aufatmen lassen. Gleichzeitig unterstützen mehrere Unternehmer*innen die Lockerungspläne auch ganz konkret: Nach heute veröffentlichten WDR-Recherchen haben zwei Unternehmer*innen für die CDU gespendet. Ein CDU-Spender finanzierte zudem die Vermarktung der Heinsbergstudie im Heinsbergprotokoll durch die PR-Agentur StoryMachine. Mit genau dieser Studie sollte Laschets viel diskutierte Exit-Strategie inhaltlich untermauert werden, flankiert eben vom bereits genannten Expertenrat.

Storymachine-Chef Philipp Jessen beziffert die Unterstützung aus der Wirtschaft für das Heinsbergprotojoll mit 30.000 Euro. Das Geld stammt zur Hälfte von der Gries Deco Company, Muttergesellschaft der Handelskette Depot, die Möbel und Deko-Artikel verkauft. Firmenchef Christian Gries bestätigt die Zahlung von 10.000 Euro an Storymachine. Einen Zusammenhang zwischen der Spende und dem Geschäftsbetrieb von Gries Deco bestreitet er gegenüber dem WDR jedoch, es sei ihm lediglich daran gelegen, die „Corona-Krise möglichst schnell hinter uns zu lassen“. Christian Gries hat schon in der Vergangenheit die CDU mit viel Geld unterstützt: Im Wahljahr 2017 spendete er laut Bundestagsverwaltung 49.900 Euro an die CDU.

Und auch die zweite Spenderin, die Unternehmensgruppe Deutsche Glasfaser, ist bei der Landesregierung in Düsseldorf gut bekannt. Sie hat ihren Hauptsitz in Borken im Münsterland, betreibt aber nach Angaben eines Sprechers auch einen „wichtigen Bürostandort“ in Heinsberg, wegen dem sie sich hier auch engagierte, wie sie sagt. Sie gilt der Landesregierung als Partner beim Breitbandausbau – etwa beim Gigabit-Gipfel von Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP).

 

Laschet schuldet NRW Transparenz

Offiziell sagt Laschet, das Land habe „keine PR bezahlt“. NRW fördert allerdings die Studie des Virologen Prof. Hendrik Streeck mit 60.000€. Zu möglichen Absprachen zwischen Laschet, Mitarbeiter*innen seiner Staatskanzlei, den Spender*innen und Storymachine gibt es inzwischen eine parlamentarische Anfrage der SPD-Landtagsfraktion – allerdings ohne Antwort durch die Landesregierung.

„Und auch das ist unverantwortlich“, betont Jan Bühlbecker. Für die SPD in Wattenscheid-Mitte und Westenfeld stellt er klar: „Krisenmanagement lebt von Vertrauen, Vertrauen darein, dass die Exekutive in anbetracht einer Notlage verantwortlich handelt, allen Interessen gleichermaßen Gehör schenkt und basierend auf wissenschaftlichen Erkenntnissen verantwortlich handelt und dabei zuallererst Menschenleben schützt. Der Eindruck, den CDU und FDP vermitteln, ist jedoch ein anderer: Parteispender*innen, die die Landesregierung entweder beraten oder die PR einer Studie finanzieren, die auch das Land gefördert hat und deren Interpretation in ihrem Interesse ist. Dazu die Selbstinszenierung des Ministerpräsidenten als besonders liberal, um sich im Rennen um CDU-Vorsitz und Unions-Kanzlerkandidatur von Markus Söder abzuheben. Ich verliere mit jeder Meldung mehr Vertrauen in das Krisenmanagement der Landesregierung und kann nicht mehr erkennen, wie CDU und FDP zerstörtes Vertrauen zurück gewinnen wollen. In aller Deutlichkeit: Sie schulden uns Antworten! Und sie schulden uns verantwortungsvolles Handeln statt Kapitalhörigkeit.“