Nur wenige Kilometer entfernt von der Klassikerstadt Weimar baute die SS 1937 ein Konzentrationslager: «Buchenwald» wurde ein Synonym für die nationalsozialistischen Verbrechen. Am 11. April 1945 wurde das Lager befreit.
Als die Amerikaner im April 1945 Buchenwald und seine Außenlager erreichten, schreibt Dwight D. Eisenhower, der Oberbefehlshaber der Alliierten Streitkräfte: „Nichts hat mich je so erschüttert wie dieser Anblick.“ Lastwagen mit darauf gestapelten Leichen, halb verbrannte Knochenreste in Krematoriumsöfen, tausende völlig entkräftete Häftlinge, darunter über 900 Kinder und Jugendliche: Die Alliierten sind fassungslos über das, was sie sehen, als sie vor 75 Jahren, am 11. April 1945, das Lager Buchenwald und seine zahlreichen Außenlager befreien.
280.000 Menschen wurden im KZ Buchenwald inhaftiert
Eröffnet wurde es im Sommer 1937 in den Wäldern oberhalb der weltberühmten Goethe- und Schillerstadt Weimar. Dafür ließ die SS auf dem Ettersberg den Wald roden. Mit dem Lager sollen politische Gegner bekämpft, Juden, Sinti und Roma verfolgt sowie Homosexuelle, Wohnungslose, Zeugen Jehovas und Vorbestrafte dauerhaft aus dem deutschen „Volkskörper“ ausgeschlossen werden, wie die Nazis es formulierten. Nach Kriegsbeginn wurden Menschen aus ganz Europa nach Buchenwald verschleppt. Das erste, was sie zu Gesicht bekamen, war die zynische Inschrift am Eingang des Lagertors „Jedem das Seine“. Der inhaftierte Bauhauskünstler Franz Ehrlich gestaltete die Schrift in dem von den Nazis verpönten Bauhausstil – ein unbemerkt gebliebener persönlicher Protest.
Fast 280.000 Menschen waren im KZ auf dem Ettersberg und seinen 139 Außenlagern zwischen 1937 und 1945 inhaftiert, darunter zeitweise auch der Theologe und Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer und der spätere Literaturnobelpreisträger Imre Kertesz. Die SS zwang die Gefangenen zur Arbeit für die deutsche Rüstungsindustrie. Über 56.000 Menschen starben an Folter, medizinischen Experimenten und Auszehrung. In einer eigens errichteten Tötungsanlage wurden über 8.000 sowjetische Kriegsgefangene erschossen. Anfang April 1945 waren im KZ Buchenwald noch an die 48.000 Menschen. Als die US-Armee bis nach Gotha vorgerückt war, begann die SS am 7. April mit der Evakuierung des Lagers. Es gelang ihr, trotz aller Verzögerungstaktiken der Häftlinge etwa 28.000 Gefangene auf Todesmärsche zu schicken. Etwa jeder Dritte starb unterwegs oder wurde von der SS, dem Volkssturm oder Jugendlichen der Hitlerjugend erschossen.
Gefangene Vertrieben die SS, US-Truppen zwangen Bürger*innen zur Besichtigung des Lagers
Nach der Flucht der SS vor den amerikanischen Panzern besetzten Häftlinge von geheimen Widerstandsgruppen die Wachtürme und das Lagertor. „Kurze Zeit später kam es durch den Lautsprecher, ‚Kameraden‘ – das Wort hat das Mikrofon tatsächlich angenommen – ‚Kameraden, wir haben das Lager in unserer Hand'“, so berichtete es ein Zeitzeuge in einem Film der Gedenkstätte Buchenwald. Nach der Befreiung zwingt die US-Armee 1.000 Bürger*innen der Klassikerstadt Weimar, das KZ Buchenwald zu besichtigen. Sie sollen sich die Gräuel der SS ansehen, etwa die „Kunstwerke“ – Menschenhaut mit Tätowierungen, als Bild gestaltet – und die Leichenberge. Die Filmaufnahmen von Weimarern, die mit fröhlichen Gesichtern auf der Wanderung durch den Wald zum KZ zu sehen sind und ihre schockierten Gesichter bei der Lagerbesichtigung danach, gingen um die Welt. Viele behaupteten, zwar von der Existenz des Lagers gewusst zu haben – aber nichts Näheres über die Geschehnisse dort. Es begann die Schuldverklärung.
Doch dieser stellen sich die ehemaligen Gefangenen entschiedenen entgegen. Am 19. April leisten die Überlebenen den Schwur von Buchenwald: „Wir stellen den Kampf erst ein, wenn auch der letzte Schuldige vor den Richtern der Völker steht! Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel.“ Ebenfalls vor 75 Jahren wurde das Konzentrationslager Mittelbau-Dora vom US-Militär befreit, in dem wenige Wochen zuvor noch über 1.000 Gefangene bei lebendigen Leibe verbrannt worden waren. „Der Schwur von Buchenwald ist bis heute aktuell und es ist an uns allen an den Schwur und die ehemaligen Insass*innen des Konzentrationslagers zu erinnern. Deutschland hat mit der Shoa singuläres Leid über die Welt gebracht. Leid, dass wir nicht nur niemals vergessen dürfen, sondern Leid, dass uns alle als Deutsche verpflichtet, dafür einzutreten, dass Faschismus und Menschenverfolgung nie wieder sein dürfen“, erklärt für die SPD in Wattenscheid-Mitte und Westenfeld Jan Bühlbecker anlässlich des Gedenktages.
Antisemitismus heute entschieden entgegen treten
Der SPD-Kommunalpolitiker weiter: „Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat es anlässlich des 75. Jahrestages der Befreiung des Konzentrationslager Ausschwitz richtig gesagt: ‚Die bösen Geister zeigen sich heute in neuem Gewand. Mehr noch: Sie präsentieren ihr antisemitisches, ihr völkisches, ihr autoritäres Denken als Antwort für die Zukunft, als neue Lösung für die Probleme unserer Zeit. Ich wünschte, sagen zu können: Wir Deutsche haben für immer aus der Geschichte gelernt. Aber das kann ich nicht sagen, wenn Hass und Hetze sich ausbreiten.‘ Antisemitismus in alten wie in neuen Formen – beispielsweise kruden Hass auf Israel – ist in unserer Gesellschaft noch immer verankert und gipfelt in einem Oppositionsführer im Bundestag, der die Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten als „Vogelschiss in tausendjähriger deutscher Geschichte“ bezeichnet ebenso wie im rechtsterroristischen Anschlag auf die Synagoge in Halle im vergangenen Jahr. Es liegt an uns allen, diese Menschenfeindlichkeit wo immer sie uns begegnet, zu bekämpfen. Denn #niewieder ist das wichtigste Versprechen unser Demokratie und unsere historische Verantwortung.“
Konkret fordert Jan Bühlbecker daher unter anderem eine ausgeprägtere Erinnerungskultur: „Ich bin der Meinung, dass der 8. Mai oberster Nationalfeiertag werden muss und mit dem 27. Januar auch der Holocaust-Gedenktag Feiertag werden sollte. Gemeinsam mit den 3. Oktober wären die prägendsten Tage der deutschen Geschichte damit nationale Feier-und Gedenktage. Denn nach einer aktuellen Studie wissen nur 59% der über 14-jährigen Schüler*innen in Deutschland um die Verbrechen der Shoah. Diese Entwicklung ist gefährlich, inakzeptabel und unverantwortlich. Die Aufstockung der Mittel für Programme wie Jugend erinnert durch die Bundesregierung ist daher richtig, ein AfD-Verbot unumgänglich. Als Gesellschaft müssen wir uns aber auch darüber hinaus wieder deutlicher zu unser historischen Verantwortung bekennen: nie wieder Faschismus! Gegen jeden Antisemitismus.“
Thüringer Erklärung: Jetzt unterschreiben!
Da in diesem Jahr keine physische Gedenkveranstaltung möglich ist, haben höchste Vertreter*innen der Thüringer Exekutive, Legislative und Judikative sowie Mitglieder der Kommitees der Konzentrationslager Buchenwald-Dora die Thüringer Erklärung verfasst, die von allen Bürger*innen unterschrieben werden kann. In ihr heißt es unter anderem:
Auch 75 Jahre nach der Befreiung sind uns Unmenschlichkeit und Verbrechen des nationalsozialistischen Deutschlands bewusst. Wir ehren all jene, die sich widersetzten. Wir nehmen wachen Anteil an der Geschichte und dem Leid der Millionen Menschen, die von den Nationalsozialisten zunächst in Deutschland und dann in den vom „Dritten Reich“ besetzten Ländern entrechtet, entwürdigt, ausgegrenzt, ausgeplündert und ermordet worden sind: allen voran die deutschen und europäischen Juden, aber auch Sinti und Roma, Kranke und Behinderte, Homosexuelle, Zeugen Jehovas, sozial Diskriminierte und alle, die im besetzten Europa oder als Deportierte im Reichsgebiet Zwangsarbeit leisten mussten oder Opfer von Besatzungs- und Kriegsverbrechen wurden.
Wir sind uns bewusst, dass die Verachtung von Demokratie und Menschenrechten, dass Antisemitismus, Rassismus, soziale und kulturelle Vorurteile, ethnischer und nationalistischer Größenwahn, dass Habgier und Ausbeutungsbereitschaft Ursachen für die Verbrechen waren und dass diese Motive von vielen Deutschen der Zeit geteilt worden sind. Wir wissen und nehmen ernst, dass Deutschland sich nicht aus eigener Kraft vom Nationalsozialismus befreit hat, dass eine Vielzahl von Verbrechen ungesühnt blieb und zu viele Täter und Tatgehilfen nach 1945 ihr Leben fortführen konnten, als sei nichts geschehen. Wir sind uns bewusst, dass die Etablierung und Festigung der Demokratie in der Bundesrepublik Deutschland nicht zuletzt auf der selbstkritischen Auseinandersetzung mit den Untaten beruht, die ihr vorausgingen. Einen Schlussstrich darf es deshalb nicht geben.
Zu den Lehren aus der Geschichte gehört für uns die Gewissheit, dass eine demokratische, die Menschenwürde schützende Verfassung und funktionierende Gewaltenteilung das Rückgrat eines liberalen Rechtsstaates bilden. Ohne sie fallen Staat und Demokratie auseinander. Heute aber sind Rechtsradikalismus und autoritäre Gesinnung ebenso auf dem Vormarsch wie völkisches Überlegenheitsdenken, Nationalismus und die Unterminierung der Einheit Europas. Weltweit verwischen die Grenzen der Gewaltenteilung, Grundrechte werden bedroht oder sind bereits außer Kraft gesetzt. Rassismus und Antisemitismus werden offen propagiert und führen auch in Deutschland zu Gewalttaten, die vor einigen Jahren undenkbar gewesen wären. Im Licht der historischen Erinnerung wird deutlich erkennbar, dass die zerstörerischen Gifte von Gestern erneut als Allheilmittel angepriesen werden.
Menschenrechte, Demokratie und Freiheit sind trotz der Erfahrung des Nationalsozialismus leider keineswegs selbstverständlich. Sie müssen immer wieder neu verteidigt werden. Dafür treten wir ein.
Die Thüringer Erklärung kann hier unterschrieben werden. Die SPD Wattenscheid-Mitte/Westenfeld, die Jusos Wattenscheid und auch Jan Bühlbecker selbst rufen dazu auf, dies zu tun und ein offenes Zeichen gegen Faschismus und Antisemitismus zu setzen!