Schwarz-gelbe Landesregierung plant massive Grundrechtseinschränungen im Eilverfahren – Jan Bühlbecker: Wir müssen eine Demokratiekrise verhindern

Zum Schutz gegen eine weitere Corona-Infektionswelle hat die schwarz-gelbe NRW-Landesregierung am gestrigen Montag einen außergewöhnlichen Gesetzentwurf vorgelegt. Er sieht unter anderem Zwangsverpflichtungen von Ärzt*innen und Pflegekräften vor. Krankenhäuser sollen per Anordnung zu einem Ausbau der Kapazität gezwungen werden und Städte und Gemeinden ihre Kommunalparlamente in Schriftform ausführen können. Zudem sollen die Behörden berechtigt werden, medizinisches Material sicherzustellen. Tausende Schulprüfungen könnten nach Plänen der Landesregierung in diesem Jahr überdies ausfallen. Ebenfalls problematisch: Das Gesetz soll in Notlagen landesweiten Ausmaßes zum Einsatz kommen, entsprechende Notlagen könnten jedoch nicht nur vom Landtag sondern auch vom Bundestag definiert werden.

 

Zweifel an Rechtsmäßigkeit des Entwurfes, harsche Kritik am Verfahren

SPD und Grüne halten wie auch führende Jurist*innen aus Nordrhein-Westfalen den aktuellen Entwurf in Teilen für verfassungswidrig und hatten schon am Montag angekündigt, einer Blitz-Behandlung am Mittwoch im Landtag nicht zustimmen zu wollen. „Die Landesregierung stößt die Demokratie im Land in eine Krise. Das Parlament würde entmachtet. Es gibt derzeit zwar eine Gesundheitskrise, aber eine Demokratiekrise darf daraus auf keinen Fall erwachsen. Diese müssen wir verhindern und es ist gut, dass Thomas Kutschaty und die SPD-Landtagsfraktion hierfür in den letzten Stunden so intensiv gekämpft haben, so dass eine abschließende Entscheidung morgen wohl verhindert und erst ausführliche Anhöhrungen unter anderem von Sachverständigen stattfinden kann“, erklärt für die SPD in Wattenscheid/Mitte und Westenfeld Jan Bühlbecker.

Das Kabinett hingegen hatte den Entwurf des Gesetzes bereits am Samstag beschlossen. Erst am Montagnachmittag wurden die 84 Seiten auf der Internetseite des Landtags veröffentlicht. Am Mittwoch soll das Plenum von Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) unterrichtet werden. „Dieses Vorgehen der Landesregierung ist beispiellos: Ein so weitreichendes Gesetz, das Grundrechte wie die freie Berufswahl massiv einschränkt und das in seiner Begründung in Teilen wirklich zweifelhaft ist, im Eiltempo und ohne Einbeziehung von Opposition und Sachverständigen durchboxen zu wollen, ist unverantwortlich. Ebenso ist die Erwartungshaltung, dass ein anderes Gremium als der Landtag von NRW selbst Kompetenzen an die Landesregierung abgibt, undemokratisch. Und dass CDU und FDP ernsthaft Zwangsarbeit in Erwägung ziehen, ist beispielos und schockiert mich zutiefst. Armin Laschet ist kein Krisenmanager, sondern offenbar vollkommen überfordert“, so der SPD-Kommunalpolitiker.

 

Brauchen ein Krisenschutz- aber kein Demokratiebeschneidungsgesetz

Und weiter: „Wenn die SPD morgen gemeinsam mit den Grünen die Zeit für ein geordnetes parlamentarisches Verfahren gewinnt, muss klar sein, dass an dessem Ende zwar ein weitreichendes Krisenschutz- aber eben kein Demokratiebeschneidungsgesetz stehen kann. Es ist richtig, dass die Landesregierung sich in der Pflicht sieht, Schutzmasken und andere medizinische Materialien zu besorgen und es ist in Anbetracht der Krise auch ein gangbarer und vernünftiger Weg, hier den ausufernden Markt einzuschränken. Zudem ist es richtig, Behördengänge digital zu ermöglichen. Aber die Freiheit der Bürger*innen darf dabei nicht eingeschränkt werden – Wer mehr Menschen für die Arbeit in Krankenhäusern (zurück-)gewinnen will, muss sofort vernünftige Löhne sicherstellen und für einen befristeten Wechsel des Arbeitsplatzes rechtliche Rahmen schaffen, die sich an den Interessen der Beschäftigten orientieren. Auch müssen Krankenhäuser beim Ausbau ihrer Kapazitäten finanziell und organisatorisch unterstützt werden, eine reine Anordnungspolitik des Gesundheitsministeriums, wie es der bisherige Gesetzesentwurf will, ist weder konstruktiv noch verantwortungsvoll – Gerade weil es bereits heute einen massiven Investitionsstau gibt, den die Landesregierung verantwortet. Übrigens lässt es tief blicken, dass Ministerpräsident Laschet glaubt, Solidarität und Leistungsbereitschaft könnten nur mit Zwang gelingen. Mein Eindruck ist nämlich ein anderer: Es gibt eine große Hilfsbereitschaft in der gesamten Bevölkerung und vor allem eine beindruckend selbstlose Einsatzbereitschaft beim medizinischen Personal. Ihnen gebührt Dank! Wir sollten in der Krise daher mehr Demokratie wagen – und nicht weniger. Das gilt auch für Kommunalparlamente, die selbstverständlich ebenfalls öffentlich und in Echtzeit nachvollziehbar für alle Bürger*innen tagen müssen.“