Bis spätestens 2038 wird Deutschland schrittweise aus der Kohleverstromung aussteigen. Das regelt das Kohleausstiegsgesetz, das der Bundestag am Freitag in erster Lesung beraten hat. Es ist ein bedeutender Schritt für mehr Klimaschutz: Mit einem klaren, verbindlichen Fahrplan wird Deutschland spätestens zum Jahr 2038 komplett aus der Kohleverstromung aussteigen. So ist es im Entwurf der Bundesregierung für das Kohleausstiegsgesetz festgehalten, den der Bundestag am Freitag in erster Lesung beraten hat. Die Koalition folgt mit dem Ausstiegsplan der sogenannten Kohlekommission, die vor einem Jahr mit einem breiten Konsens ihre Empfehlungen vorgelegt hatte.
Kohleaussteig beginnt sofort
Der Gesetzentwurf sieht vor, dass der Ausstieg aus der Stein- und Braunkohleverstromung sofort beginnt und bis spätestens 2038 abgeschlossen ist. Noch im Jahr 2020 soll der erste Block eines Braunkohlekraftwerks vom Netz gehen. Bis 2030 soll die Leistung von Steinkohle- und Braunkohlekraftwerken auf weniger als die Hälfte der heutigen Leistung sinken. Deutschland steigt damit verbindlich aus der Kohlekraft aus. Das ist ein bedeutender Beitrag zum Klimaschutz, denn damit werden Schritt für Schritt rund ein Viertel der gesamten deutschen CO2-Emissionen eingespart.
In den Jahren 2026, 2029 und 2030 soll zudem überprüft werden, ob der endgültige Ausstieg bereits drei Jahre früher erfolgen kann, in diesem Fall wäre bereits 2035 Schluss mit der Kohleverstromung. Dies ist im Wesentlichen abhängig von dem Ausbau der Erneuerbaren, mit dem Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit sichergestellt werden. Mit dem Gesetzentwurf stellt die Koalition sicher, dass die von Deutschland eingesparten Emissionen nicht an anderer Stelle in Europa emittiert werden, sondern die CO2-Zertifikate vom Markt genommen werden. Nur so wirkt der Kohleausstieg voll und ganz für den Klimaschutz.
Anpassungsgeld und frühere abschlagsfreie Rente
Für Sozialdemokrat*innen ist es besonders wichtig, dass der Kohleausstieg sozial ausgeglichen stattfindet. Die Kohle ist bis heute in einigen Regionen ein bedeutender Wirtschaftsfaktor. Umso wichtiger ist ein planbarer und verlässlicher Kohleausstieg, der Strukturbrüche vermeidet. Dafür hat die Koalition bereits das Strukturstärkungsgesetz Kohleregionen auf dem Weg gebracht, mit dem der Bund insgesamt 40 Milliarden Euro für die Strukturförderung bereitstellen wird. Die betroffenen Regionen erhalten die nötigen Mittel, um den Strukturwandel aktiv und nachhaltig zu gestalten. Ziel ist es, neue wirtschaftliche Perspektiven für die Menschen zu entwickeln und neue Strukturen aufzubauen, bevor die alten endgültig wegfallen.
Mit dem Kohleausstiegsgesetz werden auch die direkten sozialen Folgen des Aussteigs für die Beschäftigten abgefedert: Der Gesetzentwurf sieht ein Anpassungsgeld für besonders betroffene ältere Arbeitnehmer*innen über 58 Jahre vor. Sie können dieses für bis zu fünf Jahre erhalten und anschließend in Rente gehen – die Abschläge trägt der Bund. Jüngere Beschäftigte profitieren von dem seit 1. Januar 2019 geltenden Qualifizierungschancengesetz, das die Weiterbildungsförderung für vom Strukturwandel betroffene Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern verbessert und neue Qualifikationen ermöglicht. Mit dem vom Bundesarbeitsministerium geplanten Arbeit-von-morgen-Gesetz sollen weitere arbeitsmarktpolitische Instrumente dabei helfen, Transformation und Strukturwandel zu bewältigen.
Kohleausstieg und Ausbau von Erneuerbaren Energien bedingen einander
Der Kohleausstieg ist die Grundlage dafür, dass wir unsere Klimaziele bis 2030 und darüber hinaus einhalten können. Als einziges Industrieland der Erde steigt Deutschland gleichzeitig aus der Kernenergie und der Kohleverstromung aus. Das heißt gleichzeitig: Es braucht einen massiven Ausbau der Erneuerbaren Energien. Die Stromnetze müssen entsprechend modernisiert und ausbaut werden. Die Koalition wird hierzu das Erneuerbare-Energien-Gesetz novellieren und dabei vor allem den Ausbau der Windkraft an Land und die Förderung von Photovoltaikanlagen in den Blick nehmen.
„Es ist gut, dass der Kohleausstieg nun endlich kommt“, freut sich für die SPD in Wattenscheid-Mitte und Westenfeld Jan Bühlbecker. Er erklärt: „Dabei ist insbesondere der Fokus auf die soziale Absicherung der Beschäftigten und die Strukturförderung der betroffenen Regionen wichtig und einzigartig – so schaffen wir es Klimaschutz und gesellschaftlichen Fortschritt zusammen zu bringen und geben auch ein motivierendes Beispiel für andere Länder. Denn wir zeigen damit, wie ein Industrieland von der Kohleverstromung und der Kernenergie vollständig auf erneuerbare Energien umsteigt und zugleich neue Perspektiven für Beschäftigte und Wirtschaftsstandort schafft. Darum ist der soziale Ausgleich nicht nur eine gute Investition in den gesellschaftlichen Zusammenhalt, sondern auch in den Klimaschutz.“
Doch der SPD-Kommunalpolitiker, der auch Mitglied der IG BCE ist, übt auch Kritik: „Der Weg zum Gesetz war ein langer – Die Verantwortung dafür trägt vor allem CDU-Politiker Armin Laschet, der als NRW Ministerpräsident blockiert hat, obwohl es den Kohlekompromiss gab, an dem auch die Gewerkschaften mitgewirkt hatten, weswegen dieser auch so umfassend und letztendlich gut gewesen ist. Aber auch der Ausbau der erneuerbaren Energien geht zu langsam voran. Sein es fehlgeleitete Subventionen oder zu große Abstandsregeln bei der Windkraft – Es gilt die Bevölkerung mitzunehmen und zielgerichtete Anreize zu setzen, damit der Ausbau schnell und unkompliziert gelingen kann. Denn der Umstieg auf erneuerbare Energien muss gelingen, wenn wir den Klimawandel aufhalten wollen. Und das schneller als geplant: Ich halte 2035 für einen gangbaren Kompromiss – Doch das allgemeine Ziel sollte weiterhin der frühere Ausstieg aus der Kohleverstromung schon zu 2030 sein. Und ein noch schnellerer Importstop für Braun- und Steinkohle. Beides ist notwendig.“