Bundesregierung bringt Maßnahmen gegen rechte Hasskriminalität auf den Weg und Bundestag erkennt NS Opfergruppen an – Jan Bühlbecker: Zerreißt den Mantel der Gleichgültigkeit

In den letzten Monaten haben wiederholt rechtsterroristische Bestrebungen unsere Gesellschaft erschüttert: „Sei es der Anschlag von Hanau oder die Planungen des Teutonico Netzwerkes – Sie reihen sich ein neben den rechtsterroristischen Verbrechen von NSU, Gruppe Freital, Old School Society, FKD, Franco A., NSU 2.0, Hannibal, Revolution Chemnitz, der Gruppe Nordkreuz sowie dem Mord an Walter Lübcke und dem rechtsterroristischen Anschlag in Halle im vergangenen Jahr, die das Bild eines umfassenden Rassismus‘- und damit verbundenen Gewaltproblems in Deutschland zeigen. Die gesellschaftliche Trennlinie nach rechts und eine umfassende Aufarbeitung historischen Leids müssen deswegen sichergestellt werden“, erklärt für die SPD in Wattenscheid-Mitte und Westenfeld Jan Bühlbecker zwei der jüngsten bundespolitischen Entwicklungen: Die Bundesregierung hat ein Gesetzespaket gegen Hasskriminalität und Antisemitismus auf den Weg gebracht und der Bundestag hat per Beschluss weitere NS-Opfergruppen enerkannt.

 

Änderungen des Strafgesetzbuchs

Die Bundesregierung hat heute den Entwurf des Gesetzes zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität beschlossen. Der Gesetzentwurf setzt das Maßnahmenpaket um, das die Bundesregierung am 30. Oktober 2019 nach dem rechtsterroristischen Anschlag auf die Jüdische Gemeinde in Halle beschlossen hat. Insbesondere antisemitische Tatmotive werden fortan verschärfend gewertet.

All dies umfasst zahlreiche Änderungen im Strafgesetzbuch:

  • Bedrohung (§ 241 StGB): Bislang ist nach § 241 StGB nur die Bedrohung mit einem Verbrechen – meist die Morddrohung – strafbar. Künftig sollen auch Drohungen mit Taten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder gegen Sachen von bedeutendem Wert, die sich gegen die Betroffenen oder ihnen nahestehende Personen richten, strafbar sein. Der Strafrahmen soll bei Drohungen im Netz bei bis zu zwei Jahren – und bei der Drohung mit einem Verbrechen, die öffentlich erfolgt, bei bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe liegen. Bislang ist der Strafrahmen bei Bedrohungen bis zu ein Jahr Freiheitsstrafe oder Geldstrafe.
  • Beleidigung (§ 185 StGB): Öffentliche Beleidigungen sind laut und aggressiv. Für Betroffene können sie wie psychische Gewalt wirken. Wer öffentlich im Netz andere beleidigt, soll künftig mit bis zu zwei statt mit bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe bestraft werden können.
  • Üble Nachrede und Verleumdung gegen Personen des politischen Lebens (§ 188 StGB): Der besondere Schutz des § 188 StGB vor Verleumdungen und übler Nachrede soll ausdrücklich auf allen politischen Ebenen gelten, also auch für Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker.
  • Belohnung und Billigung von Straftaten (§ 140 StGB): Künftig soll auch die Billigung künftiger schwerer Taten erfasst sein, wenn diese geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören. Dies richtet sich gegen Versuche, ein Klima der Angst zu schaffen. Das öffentliche Befürworten der Äußerung, jemand gehöre „an die Wand gestellt“ ist ein Beispiel für die künftige Strafbarkeit.
  • Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten (§ 126 StGB): Hier soll künftig auch die Androhung einer gefährlichen Körperverletzung umfasst sein.
  • Antisemitische Tatmotive sollen ausdrücklich als strafschärfende Beweggründe in das Strafgesetzbuch aufgenommen werden (§ 46 Abs. 2 StGB). Die Änderung ist eine Reaktion auf einen enormen Anstieg antisemitischer Straftaten – seit 2013 um über 40 Prozent.
  • Schutz von Notdiensten (§ 115 StGB): Mancherorts ist es Alltag, dass Rettungskräfte, Ärzte und Pfleger attackiert werden. Rettungskräfte im Einsatz sind erst vor zwei Jahren strafrechtlich besser vor Attacken geschützt worden. Dieser Schutz soll nun auf Personal in ärztlichen Notdiensten und in Notaufnahmen ausgedehnt werden.

 

Meldepflicht für soziale Netzwerke

Soziale Netzwerke sollen strafbare Postings künftig nicht mehr nur löschen, sondern in bestimmten schweren Fällen auch dem Bundeskriminalamt (BKA) melden müssen, damit die strafrechtliche Verfolgung ermöglicht wird. Um Täter schnell identifizieren zu können, müssen soziale Netzwerke dem BKA auch die letzte IP-Adresse und Port-Nummer, die dem Nutzerprofil zuletzt zugeteilt war, mitteilen. Das stellt eine umfassende Erweiterung des Netzwerkdurchsuchungsgesetzes, welches die SPD bereits in der letzten Legislatur durchgesetzt hatte, da.

Die Meldepflicht soll folgende Straftaten umfassen:

  • Verbreiten von Propagandamitteln und Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§§ 86, 86a StGB)
  • Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat (§§ 89a, 91 StGB) sowie Bildung und Unterstützung krimineller und terroristischer Vereinigungen (§§ 129 bis 129b StGB)
  • Volksverhetzungen und Gewaltdarstellungen (§§ 130, 131 StGB) sowie Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten (§ 126 StGB)
  • Belohnung und Billigung von Straftaten (§ 140 StGB)
  • Bedrohungen mit Verbrechen gegen das Leben, die sexuelle Selbstbestimmung, die körperliche Unversehrtheit oder die persönliche Freiheit (§ 241 StGB)
  • Verbreitung kinderpornografischer Aufnahmen (§ 184b StGB)

Beleidigungen, üble Nachrede und Verleumdung sind nicht von der Meldepflicht umfasst, da sie Straftaten sind, die nur von derjenigen Person gemeldet werden können, gegen die sie sich richten. Soziale Netzwerke sollen allerdings künftig Nutzerinnen und Nutzer darüber informieren, wie und wo sie Strafanzeige und erforderlichenfalls Strafantrag stellen können.

 

Änderung des Melderechts

Aber auch Kommunalpolitiker*innen und ehrenamtlich aktive werden in ihren Rechten gestärkt und zukünftig besser geschützt: So sollen künftig von Bedrohungen, Beleidigungen und unbefugten Nachstellungen Betroffene leichter eine Auskunftssperre im Melderegister eintragen lassen können und so davor geschützt sein, dass ihre Adressen weitergegeben werden. Dazu soll § 51 des Bundesmeldegesetzes geändert werden. Die Meldebehörden sollen berücksichtigen müssen, ob die betroffene Person einem Personenkreis angehört, der sich aufgrund beruflicher oder ehrenamtlicher Tätigkeiten in verstärktem Maße Anfeindungen oder Angriffen ausgesetzt sieht. Bei einer melderechtlichen Auskunftssperre wird (wie bisher) bei Kandidatinnen und Kandidaten auf Wahllisten nicht mehr die Wohnanschrift angegeben.

 

Jan Bühlbecker: Der Hass trifft unsere Demokratie mitten ins Herz

Der SPD-Kommunalpolitiker begrüßt diese Gesetzesinitiative der Bundesregierung ausdrücklich: „Die Spirale von Hass und Gewalt müssen wir stoppen. Mit dem Gesetzespaket, das wir heute auf den Weg gebracht haben, nehmen wir Hasskriminalität sehr viel stärker ins Visier. Wer im Netz hetzt und droht, wird künftig härter und effektiver verfolgt. Hass-Straftaten sollen endlich dort landen, wo sie hingehören: vor Gericht. Der Hass trifft Juden, Muslime, Flüchtlinge und besonders häufig Frauen, bis hin zu widerwärtigen Vergewaltigungsdrohungen. Rassismus und Frauenhass liegen bei Hetzern oft nahe beieinander. Drohungen mit sexuellen Übergriffen und Drohungen mit Gewalttaten müssen künftig – anders als bislang – strafbar sein. Vergewaltigungsdrohungen sollen ebenso wie Morddrohungen und Volksverhetzungen von den sozialen Netzwerken an das Bundeskriminalamt gemeldet werden müssen.“

Und weiter: „Der Hass trifft unsere Demokratie mitten ins Herz. Für viele, die sich für ein menschliches Deutschland engagieren, sind Drohungen Alltag geworden. Manche haben sich zurückgezogen – aus der öffentlichen Debatte, aus ihren Ämtern oder ihrem Engagement. Das dürfen wir niemals hinnehmen.“

 

Bundestag beschließt Anerkennung für sogenannte Asoziale und Berufsverbrecher

Der Bundestag hat am Donnerstag einen Antrag der Koalitionsfraktionen über die Anerkennung der von Nationalsozialisten als sogenannte „Asoziale“ und „Berufsverbrecher“ Verfolgten beschlossen (Drs. 19/14342). Er erkennt die beiden, lange Zeit vernachlässigten Opfergruppen, endlich an.

Als sogenannte ‚Asoziale‘, die im Konzentrationslager den ‚schwarzen Winkel‘ tragen mussten, verfolgte das deutsche Regime unter anderem Obdachlose, Bettler, Prostituierte und schlicht auch Andersdenkende. Das betraf Menschen, die mindestens dreimal zu Freiheits-strafen von mindestens sechs Monaten verurteilt worden waren. ‚Berufsverbrecher‘ hatten ihre Strafen also verbüßt. Gegen sie lag zum Zeitpunkt der Inhaftierung in einem Konzentrationslager kein Tatverdacht vor.

Ab 1942 wurden ferner verurteilte Straftäter aus den Justizvollzugsanstalten in Konzentrationslager überstellt, wo sie ebenfalls mit dem ‚grünen Winkel‘ gekennzeichnet wurden. Eva Högl stellt klar: Absolut niemand saß zurecht im KZ. Kein Obdachloser, keine Prostituierte und auch niemand, der ein Verbrechen verübt hat.“

 

Jan Bühlbecker: Leid wird endlich anerkannt

Auch dieser Beschluss findet die Unterstützung der hiesigen SPD, wie Jan Bühlbecker für diese erklärt: „Mit diesem Antrag wird Leid der Betroffenen endlich anerkannt. Ihre Geschichten wollen wir erzählen und der Öffentlichkeit in einer Wanderausstellung näherbringen. Außerdem stellen wir klar, dass als sogenannte ‚Asoziale‘ und ‚Berufsverbrecher‘ Verfolgte Anspruch auf finanzielle Leistungen haben. Das ist ein wichtiges Zeichen für die Opfer, deren Nachkommen und unsere gesamte Gesellschaft.“

Der Antrag fordert die wissenschaftliche Aufarbeitung der Schicksale der Verfolgten und die Präsentation der Forschungsergebnisse in einer Wanderausstellung. Damit wollen die Abgeordneten möglichst breite Teile der Bevölkerung informieren. Künftig werden die Opfergruppen zudem explizit in den Härterichtlinien zum Allgemeinen Kriegsfolgengesetz als antragsberechtigte Leistungsempfänger genannt. Damit wird klargestellt, dass finanzielle Leistungen möglich sind. „Auch das,“ erklärt der SPD-Kommunalpolitiker, „ist eine überfällige und wichtige Geste der Anerkennung an die letzten Überlebenden.“

 

Zerreißt den Mantel der Gleichgültigkeit

Rassistische und rechtsterroristische Bewegungen und Gruppen konnten sich aber auch wegen behördlichen Versagen in Deutschland festsetzen – nicht zuletzt in Hanau besteht der Verdacht auf ein zu nachlässiges Handeln der Bundesanwaltschaft. Auch der Fortbestand des Bundesamtes für Verfassungsschutz gehöre auf dem Prüfstand, so Jan Bühlbecker.

In Anbetracht der jüngsten rechtsterroristischen Anschläge ist aber auch eine Verbindung zur AfD festzustellen, wie er weitergehend erklärt: „Bei vielen rechtsterroristischen Vorgängen in Deutschland konnte im Rahmen der Aufklärung eine Verbindung zur oder in das Umfeld der AfD nachgewiesen werden. Auch der Attentäter von Hanau, der offenkundig an krude Verschwörungstheorien glaubte, wurde zuletzt wohl von der AfD beeinflusst, denn deren Politiker verwenden in den Parlamenten verschwörungstheoretische Codes, verhamlosen Verbrechen und greifen die Würde bestimmter Bevölkerungsgruppen trotz der Unveräußerlichkeit der Menschenwürde aller an. Es muss deswegen festgehalten werden: Die AfD ist der politische Arm des Rechtsterrorismus in Deutschland. Und als solcher sollte ihr Verbot geprüft werden.“

Abschließend fügt er an: „Bis dahin liegt es an uns allen: Rassismus meint nicht jede*n von uns – aber wir alle müssen ihn persönlich nehmen und mit allen jenen solidarisch sein, die von Rechten bedroht und angegriffen werden. Es ist keine Fremdenfeindlichkeit, wenn Nachbar*innen und deutsche Staatsbürger*innen angegriffen werden, denn wer hier liebt, ist nicht fremd. 77 Jahre nach der Ermordung von Hans und Sophie Scholl zitiere ich: ‚Zerreißt den Mantel der Gleichgültigkeit‘ und lasst uns alle gemeinsam #gegenhalten!“