Einheitlich organisiert sind wir unüberwindlich

„Zersplittert sind wir ewig das Gespött unserer Gegner, aber einheitlich und wahrhaft demokratisch organisiert sind wir unüberwindlich!“

– August Bebel

Heute vor 150 Jahren wurde die Sozialdemokratische Arbeiterpartei, einer der beiden wesentlichen Vorläuferorganisationen der SPD, in Eisenach gegründet. Ihre prägende Person war ohne Zweifel August Bebel. Die zweite Vorfeldorganisation der SPD, der Allgemeine Deutsche Arbeiterverein – kurz ADAV – war schon 1863 unter maßgeblicher Beteiligung Ferdinand Lassalles in Leipzig gegründet worden. Seit insgesamt also 156 Jahren also gibt es in Deutschland die Sozialdemokratie, sie ist somit die älteste Partei des Landes. Dennoch ist auch der Blick auf die jüngere Mutter der heutigen Partei spannenden, lässt sich aus der Geschichte doch lernen, wie wichtig zum die Einigkeit der Bewegung und zum anderen die Partizipation derjenigen, die in ihr organisiert sind, ist.

Im großen Saal des Hotels „Zum Mohren“ in Eisenach drängen sich am 9. August 1869 262 Delegierte aus 193 Ortschaften Deutschlands. Lange haben sie hitzig über das Programm und die Organisation der neuen Partei diskutiert. Doch am Nachmittag kann August Geib endlich verkünden: „Somit erkläre ich hiermit auf Grund des Programms und der Statuten die sozial-demokratische Arbeiter-Partei für konstituiert.“ Die Delegierten jubelten, „begeisterte Bravos“ ertönten. Am Präsidiumstisch gratulieren sich die Organisatoren des Kongresses, der 29-jährige Drechslermeister August Bebel und der 43-jährige Publizist Wilhelm Liebknecht. Es ist Montag der 9. August 1869, 15.30 Uhr. Die erste demokratisch organisierte deutsche Arbeiterpartei ist gegründet, das von Bebel und Liebknecht erarbeitete marxistische „Eisenacher Programm“ beschlossen.

Wie war es zur Gründung einer zweiten Arbeiterpartei gekommen? ADAV und SDAP unterschieden sich im wesentlichen in zwei Punkten. Zum einen: Der Verbandsorganisation. Der ADAV gilt als autokratisch geführt. Seit Lassalles frühen Tod wird der Arbeiterführer dort kultisch verehrt, was viele Sozialdemokraten aus dem ADAV treibt. Hinzu kommt die starke Stellung des Vorsitzenden, und die mangelnde innerparteiliche Demokratie. Die SDAP hingegen setzte auf einen dezentralen Parteiaufbau und organisierte die politische Willensbildung von unten nach oben. Prinzipien, die bisherige paternalistische Politikansätze überwanden und den Arbeitern mehr Einfluss und Macht beim Kampf um ihre Rechte versprachen. Der zweite Unterschied war inhaltlicher Natur und befasste sich mit der Staatsfrage. Der ADAV galt als staatstreu und unterstütze folglich die kleindeutsche Lösung unter der Führung Preußens während die SDAP monarchische Obrigkeiten strikt ablehnt und eine „großdeutsche Lösung“ mit Österreich in einem „freien Volksstaat“ propagiert. Radikale Gewerkschaften und große Streiks sieht der ADAV kritisch, konzentriert sich auf politische Einflussnahme, Arbeiterbildung und Wohlfahrt. Die SDAP hingegen unterstützt nun die Gründung von Gewerkschaften und unterstützt Streiks zur Durchsetzung politischer Ziele. Schwerpunkt der politischen Arbeit der SDAP war folglich Sachsen, während der ADAV natürlich in Preußen und auch in Bayern besonders aktiv war.

1871 wird dann nach diversen Kriegen das Deutsche Reich gegründet. Damit ist einer der Hauptstreitpunkte der beiden Parteien beseitigt. Und auch bei der parlamentarischen Arbeit im Reichstag finden sie immer mehr Gemeinsamkeiten. Die Arbeiter*innenschaft benötigt gleichzeitig dringender denn je eine starke sozialdemokratische Partei, da der preußische Reichskanzler Otto von Bismarck massiven Druck auf die Sozialdemokratie ausübt. 1875 vereinigen sich ADAV und SDAP schließlich in Gotha zur Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands (SAP) aus der 1890 – nach dem Ende der sogenannten Sozialistengesetze – die heutige SPD wird. Mit der Vereinigung der beiden Vorfeldorganisationen stieg die Sozialdemokratie dann auch endgültig zur entscheidenden politischen Kraft auf, die sich im neu gegründeten Deutschen Reich wie keine andere für die Rechte der Arbeiter und die Demokratisierung von Staat und Gesellschaft einsetzte. August Bebel führte diese Partei von 1892 bis zu seinem Tod.

August Bebel, ein Kritiker der Struktur des ADAVs, wurde mit Verlauf dieser Zeit zum großen Befürworter der Einigung beider Parteien. Er sagte: „Zersplittert sind wir ewig das Gespött unserer Gegner, aber einheitlich und wahrhaft demokratisch organisiert sind wir unüberwindlich!“ Und prägte so die Gründungsgeschichte der Sozialdemokratie in Deutschland ohne Zweifel wie kein zweiter. Mehrfach wurde er für sein politisches Engagement im unfreien Kaiserreich inhaftiert, nie ließ er sich einschüchtern oder in seiner politischen Arbeit einschränken. Und auch innerhalb der Partei scheute er den politischen Konflikt nicht. So sprach er sich zum Beispiel zu seiner Zeit in der das Frauenwahlrecht noch nicht zum Parteiprogramm gehörte, entschieden für dieses aus und erweiterte Marx Kritik der politischen Ökonomie aus dem „Kapital“ mit seinem bis heute oft gelesenen Buch „die Frau und der Sozialismus“ um die Rolle der Frau und ihrer ebenfalls systembedingten Unterdrückung. Sein Fazit: „Ein Sozialist ist ein Feminist oder er ist kein Sozialist!“ Selbst Rosa Luxenburg soll aus diesem Grund gegenüber dem ersten feministischen Theoretiker der Bewegung erwidert haben: „August, ich liebe Dir.“

Der Grundsatz, dass Einigkeit stark macht, ist bis heute die Grundlage sozialdemokratischen Engagements – parteipolitisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich. Er spiegelt sich in der Geschichte der Partei. Wie bewegend, dass mit der Urwahl der neuen SPD-Vorsitzenden in diesem Jahr 150 Jahre nach der Gründung der SDAP auch ihr basisdemokratischer Anspruch neu belebt wird!