Nach hitzigen Debatten hat der Bundestag eine Reihe von Neuregelungen zu Asyl, Arbeitsmigration und Abschiebungen beschlossen. So zum Beispiel ein Fachkräfteeinwanderungsgesetz, welches nun mehr einer größeren Gruppe Menschen die Arbeitsmigration nach Deutschland erleichtern soll. Besonders emotional war hingegen die Diskussion vor der Abstimmung über ein Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht. Dabei geht es darum, dass es abgelehnten Asylbewerbern erschwert werden soll, sich einer angeordneten Abschiebung zu entziehen. Die SPD Bundestagsfraktion stimmte mehrheitlich allen drei Gesetzespaketen zu.
Opposition fürchtet Duldung zweiter Klasse
Union und SPD ging es mit diesem Gesetz im Kern darum, die Befugnisse von Polizei und Ausländerbehörden so auszuweiten, dass weniger Abschiebungen scheitern. Unter anderem soll es Sanktionen für abgelehnte Asylbewerber geben, die eine falsche Identität angeben oder die Beschaffung von Reisedokumenten hintertreiben. Die Betroffenen selbst rutschen in einen neu geschaffenen, schlechteren Status von Duldung: Ihren Aufenthaltsort dürfen sie nicht mehr selbst bestimmen, sie dürfen nicht arbeiten, und später wird diese Zeit minderer Rechte ihnen nicht angerechnet. Die Möglichkeiten, sie vorsorglich in Haft zu nehmen, werden drastisch ausgeweitet. Auch können sie nun in Haftanstalten gemeinsam mit verurteilten Straftäter*innen untegebracht werden. Aber auch Hilfsorganisationen fürchten, dass ihre Arbeit sie künftig vor Gericht bringt.
Die Situation von Asylbewerbern allgemein wird schwieriger. Sie sollen grundsätzlich zentral untergebracht werden – was nach Expertenmeinung Integration verhindert – und zwar dreimal solange wie bisher, nämlich18 statt sechs Monate. Wer aus einem angeblich sicheren Herkunftsland stammt, muss noch länger bleiben, ebenso alle, die aus Sicht der Behörden nicht genug tun, um ihre Identität festzustellen. Wer anderswo schon einen Asylantrag gestellt hat, bekommt außerdem weniger, als das Asylbewerberleistungsgesetz vorsieht.
Zum ersten Mal ist auch die Beratung von Schutzsuchenden vorgesehen, allerdings keine unabhängige: In einer ersten Stufe berät das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, das auch ihre Anträge entscheidet. Erst danach kommen etwa Wohlfahrtsverbände zum Zuge.
Asylbewerberleistungsgesetz bewertet Situation der Asylbewerber*innen finanziell neu
Das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum gilt für alle in Deutschland lebenden Menschen und schließt eine regelmäßige Anpassung mit ein. Eine einmalige Anhebung der Leistungen fand 2015 statt. Der Versuch einer grundlegenden Neuregelung war 2016 im Bundesrat gescheitert, seitdem gelten die alten Leistungssätze fort. Durch die jetzt vorliegende Reform des Asylbewerberleistungsgesetzes sollen die Leistungssätze auf Basis der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) verfassungskonform neu bemessen werden. Er entspricht weitgehend dem Entwurf aus der vorherigen Legislatur, die Wirkungen sind ausgewogen. Die Ausgaben für das AsylbLG insgesamt ändern sich nicht.
Fachkräftezuwanderungsgesetz erkennt gesellschaftliche Realität an
Das „Fachkräfteeinwanderungsgesetz“ aus dem Arbeitsministerium von Hubertus Heil (SPD) soll mehr Menschen mit Berufsausbildung nach Deutschland bringen – nicht mehr nur in Mangelberufen. IT-Kräfte brauchen künftig keinen Berufsabschluss mehr. Das Recht auf sechs Monate Aufenthalt, um sich in Deutschland Arbeit zu suchen, gibt es schon länger – jetzt allerdings sollen auch Menschen ohne Hochschulabschluss davon profitieren, die eine Berufsausbildung abgeschlossen haben. Da schon bisher solche Möglichkeiten an der praktischen Umsetzung – nicht erteilten Visa oder Behördendschungel – scheiterten, versprechen die Koalitionsfraktionen Abhilfe, durch zentrale Anlaufstellen und bessere Visavorgaben.
Eine Änderung gegenüber den bisherigen Plänen gibt es zudem bei der so genannten Beschäftigungsduldung. Geduldete, die durch Arbeit ihren Lebensunterhalt selbst sichern, sollen gemäß einer Stichtagsregelung unter bestimmten Umständen bleiben können. Die Regelung gilt für alle, die vor dem 1. August 2018 nach Deutschland gekommen sind – befristet bis Ende 2023.
Mit diesem Gesetz tritt die Bundesregierung dem Fachkrätemangel entgegen – „ein wichtiger Schritt. Schon seit 15 Jahren wurde über ein solches Einwanderungsgesetz diskutiert, seitdem jedoch grundsätzlich von CDU und CSU blockiert. Nun erkennen wir die gesellschaftliche Realität, dass Deutschland ein Einwanderungsland und als solches sehr glücklich ist, an. Darüber bin ich sehr froh, weil dieses Gesetz, welches natürlich weitere Nachschärfungen vertragen würde, eine weltoffene Trendwende in unserer Migrationspolitik sein kann“, so der Vorsitzende der SPD in Wattenscheid-Mitte und Westenfeld, Jan Bühlbecker.
Jan Bühlbecker: Ein Gesetzespaket, das so nicht hätte geschnürrt werden dürfen
„Unterm Strich bin ich jedoch von den Ergebnissen des heutigen Tages ausdrücklich enttäuscht“, erklärt der Jan Bühlbecker nach bekanntwerden des Bundestagsergebnisses: „Allein die Tatsache, dass die CDU/CSU darauf bestand, das Geordnete-Rückkehr-Gesetz terminlich mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz zu verknüpfen zeigt, dass man mit der Union keine progressive Migrationspolitik machen kann: Für jeden Schritt nach vorne verlangen sie an anderer Stelle mindestens zwei zurückzugehen – Dass unsere Bundestagsfraktion dies wieder einmal mitgemacht hat, bedauere ich wirklich, denn es wirkt so, als würde das Geordnete-Rückkehr-Gesetz zur einer georndeten Rückkehr zum Weiter-So.“ Rein inhaltlich könne man mit den Kompromissen im Fachkräfteeinwanderungsgesetz leben, so der SPD-Kommunalpolitiker, „wobei auch hier eine schwere Enttäuschung bleibt: Menschen, die als Fachkräfte zu uns gekommen sind, können ihren Aufenthaltstitel zu einfach wieder verlieren, wenn sie arbeitslos werden. Wir als Partei der Arbeit sollten wissen, dass niemand freiwillig arbeitslos wird und deswegen gemeinsam mit den Fachkräften nach Möglichkeiten zum zweiten Versuch statt zur schnellen Rückführung suchen.“
Wesentlich schlimmer sei jedoch die Zustimmung zum Geordnete-Rückkehr-Gesetz: „Die Unverletzlichkeit der Wohnung, das Trennungsgebot von Strafvollzug und Gewahrsam und der Datenschutz – die Grundsätze unserer Verfassung gelten nicht nur für Deutsche, sondern für alle Menschen. Diese Grundrechte greift das Geordnete-Rückkehr-Gesetz jedoch an, weswegen ich nicht von seiner Verfassungskonformität überzeugt bin. Hinzu kommt die potenzielle Kriminalisierung derjenigen, die ehrenamtlich in der Flüchtlingshilfe engagiert sind. Wer sich an die Seite der Schwachen stellt, sollte in der Sozialdemokratie eine Partnerin haben – Und keine Gegnerin. Aus all diesen Gründen hatte ich sehr darauf gehofft, dass dieses Gesetz insbesondere von der SPD Bundestagsfraktion nicht unterstützt würde. Dieses Gesetzespaket hätte so nicht geschnürrt werden dürfen.“