Kurze Wege, schnelle Termine: Gute Gesundheitsversorgung darf nicht davon abhängen, ob ich in der Stadt oder auf dem Land wohne, ob man privat oder gesetzlich versichert bin. Für viele Menschen ist es ein großes Ärgernis, dass gesetzlich Versicherte häufig länger auf einen Arzttermin warten müssen als privat Versicherte. Die SPD-Bundestagsfraktion hatte deshalb Druck gemacht für erhebliche Verbesserungen. Auf diese Initiative hin, hat die Koalition einen Entwurf für ein Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG, Drs. 19/6337) vorgelegt. Der Bundestag hat den Gesetzentwurf nun am Donnerstag in 2./3. Lesung beschlossen.
Mit dem neuen Gesetz sorgt die Koalition für schnellere Termine in Arztpraxen, mehr Sprechstunden für Kassenpatienti*nnen und mehr Ärzt*innen auf dem Land. Das sind wichtige Schritte, um die Zwei-Klassen-Medizin abzubauen. Zugleich vermitteln die so genannten Terminservicestellen zukünftig rund um die Uhr über die bundesweite Rufnummer 116 117 Termine an Fachärzte sowie an Haus- und Kinderärzte. Ärzt*innen werden für die Behandlung von gesetzlich versicherten Patient*innen deutlich besser vergütet. Außerdem steigert die Koalition mit dem geplanten Gesetz die Verbreitung der medizinisch sinnvollen Hausarztverträge, indem eingeschriebene Versicherte künftig finanzielle Vorteile von den Krankenkassen erhalten.
Im Einzelnen enthält der Gesetzentwurf folgende Verbesserungen:
Sprechstundenangebot wird ausgeweitet
Künftig müssen Vertragsärzt*innen wöchentlich mindestens 25 Sprechstunden für gesetzlich Versicherte anbieten. Derzeit sind es nur 20 Stunden. Hiervon müssen Fachärzt*innen der grundversorgenden und wohnortnahen Versorgung (zum Beispiel konservativ tätige Augenärzt*innen, Gynäkolog*innen und HNO-Ärzti*nnen) wöchentlich fünf offene Sprechstunden anbieten. Das erweiterte Sprechstundenangebot wird besser und budgetunabhänig bezahlt, die Verdienstmöglichkeiten für Ärzt*innen erhöhen ich also.
Versorgung auf dem Land wird verbessert
Auch die medizinische Versorgung auf dem Land wird besser. Dafür erhalten Ärzt*innen in unterversorgten Regionen dann Zuschläge, und die Kassenärztlichen Vereinigungen werden verpflichtet, in solchen Gebieten eigene Praxen oder mobile und telemedizinische Versorgungsalternativen anzubieten.
Neue Leistungen (HIV-Prophylaxe, Kryokonservierung)
Auch den Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) erweitert die Große Koalition um wichtige neue Leistungen: Versicherte mit einem hohen HIV-Infektionsrisiko haben zukünftig Anspruch auf eine medikamentöse HIV-Vorsorge (PrEP). Patient*innen, denen aufgrund einer keimzellschädigenden Therapie (zum Beispiel Chemotherapie) ein Fertilitätsverlust droht, können auf Kosten der GKV ihre Ei- oder Samenzellen konservieren lassen, um nach ihrer Genesung eine künstliche Befruchtung vorzunehmen.
Elektronische Patientenakte von 2021 an
Patient*innen sollen die Möglichkeiten der Digitalisierung im Gesundheitswesen stärker nutzen können. Dafür müssen die Krankenkassen spätestens von 2021an eine elektronische Patientenakte zur Verfügung stellen. Medizinische Daten wären dann auch mittels Smartphone oder Tablet abrufbar.
Bessere Heilmittelversorgung
Außerdem hat die SPD-Fraktion im parlamentarischen Verfahren mehrere Verbesserungen erreicht: So reformiert die Koalition nun die Heilmittelversorgung, indem die Möglichkeit einer Blankoverordnung geschaffen wird. Das bedeutet: Die Indikationsstellung und Verordnung eines Heilmittels erfolgt wie bisher durch die Ärzt*innen. Die behandelnden Therapeut*innen können dann aber über die konkrete Therapie entscheiden. Auch Behandlungsfrequenz und Behandlungsdauer bestimmen sie selbständig. Und: Künftig werden die Therapeut*innen besser bezahlt.
Hilfsmittelversorgung: Keine Ausschreibungen mehr
Damit Patient*innen künftig hochwertige Inkontinenzartikel oder Gehhilfen bekommen, werden die Hilfsmittel-Ausschreibungen durch die Krankenkassen endlich beendet. In Zukunft werden Verträge zwischen Krankenkassen und Hilfsmittelerbringern wieder auf Grundlage von Verhandlungen geschlossen.
Hausarztversorgung: Bonus für eingeschriebene Versicherte
Die SPD-Fraktion hat durchgesetzt, dass alle Krankenkassen für ihre Versicherten einen Bonus ausschütten müssen, die sich in Hausarztverträge einschreiben. Das macht die hausärztliche Versorgung attraktiver und belohnt die teilnehmenden Versicherten. Der Bonus kann in Form von Prämien ausgezahlt werden, oder die Kassen können Zuzahlungen erlassen.
Höhere Festzuschüsse für Zahnersatz
Ebenso haben die Sozialdemokrat*innen erreicht, dass die im Koalitionsvertrag vereinbarten höheren Festzuschüsse für Zahnersatz bereits drei Monate früher als ursprünglich geplant, nämlich zum 1. Oktober 2020 in Kraft treten. Und schließlich müssen die Krankenhäuser im Rahmen des so genannten Entlassmanagements Versicherte bei der Beantragung von Kurzzeitpflege, ambulanter Palliativversorgung und Haushaltshilfe unterstützen.
Jan Bühlbecker: Pragmatische Entlastung auf dem Weg zur Bürgerversicherung
Der Vorsitzende der SPD in Wattenscheid-Mitte und Westenfeld, Jan Bühlbecker, begrüßt die Einigung: „Unter der bundesweiten Rufnummer 116 117 bekommen Patient*innen künftig einfacher Termine bei Haus-, Fach- und Kinderärzt*innen – Das ist eine echte Erleichterung auch für uns hier in Wattenscheid-Mitte und Westenfeld. Mit der Erhöhung des Sprechstundenangebots und der Verpflichtung von Ärzt*innen, Plätze auch für gesetzlich Versicherte Patient*innen vorzuhalten, verbessern wir die Versorgungslage für uns spürbar. Das ist eine pragmatische Entlastung, die zeigt, wie die Große Koalition positiv wirken kann: Mit CDU und CSU muss die SPD soviel aushandeln, wie mit der Union eben möglich ist und gleichzeitig deutlich machen, was sie darüberhinaus anstrebt. In der Gesundheitsversorgung bleibt die Gleichstellung aller Patient*innen mit der Bürgerversicherung dementsprechend unser Ziel – umzusetzen in einem Regierungsbündnis links von der Union.“