Riot! 100 Jahre Frauenwahlrecht – Höchste Zeit für ein Paritätsgesetz

„Meine Herren und Damen!

Es ist das erstemal, daß in Deutschland die Frau als Freie und Gleiche im Parlament zum Volke sprechen darf, und ich möchte hier feststellen, und zwar ganz objektiv, daß es die Revolution gewesen ist, die auch in Deutschland die alten Vorurteile überwunden hat.

Ich möchte hier feststellen und glaube damit im Einverständnis vieler zu sprechen, daß wir deutschen Frauen dieser Regierung nicht etwa in dem althergebrachten Sinne Dank schuldig sind. Was diese Regierung getan hat, das war eine Selbstverständlichkeit: sie hat den Frauen gegeben, was ihnen bis dahin zu Unrecht vorenthalten worden ist.“

– Marie Juchacz

Heute vor 100 Jahren durften Frauen in Deutschland zum ersten Mal an einer Wahl teilnehmen. Dem vorausgegangen war ein langer Kampf um die Emanzipation der Frau. Viele mutige Frauen wie Hedwig Dohm, Rosa Luxemburg, Anita Augspurg und Lida Gustava Heymann gründeten Vereine, traten in Parteien ein, organisaierten Demonstrationen oder machten in Publikationen auf die gleichberechtigt Rolle und Stärke ihres Geschlechts für die und in der Gesellschaft aufmerksam. Nach dem ersten Weltkrieg erkannte der Rat der Volksbeauftragten ihnen dann schließlich das Wahlrecht zu.

 

Der Kampf um Gleichberechtigung ist ein Kampf um eine Selbstverständlichkeit

Zum ersten Mal besaßen die Frauen in Deutschland also das aktive und passive Wahlrecht. Und so wurden 37 Frauen in die Weimarer Nationalversammlung gewählt. Das entsprach einen Anteil von 8,7% der Abgeordneten – Unter ihnen auch die Sozialdemokratin Marie Juchacz, die dann als erste Frau in der Weimarer Nationalversammlung sprach. „Die Worte Marie Juchacz‘ bewegen mich sehr, weil jedes einzelne von ihnen stimmt: Das Wahlrecht für Frauen ist eine Selbstverständlichkeit, die den weiblichen Mitgliedern der Gesellschaft viel zu lange vorenthalten wurde. Dankbar verneige ich mich vor ihr und den vielen anderen Kämpferinnen für eine emanzipatorische Gesellschaft. Doch weitere Selbstverstänlichkeiten, wie die Möglichkeit ein Bankkonto zu eröffnen, ohne die Einwilligung des Ehemannes arbeiten gehen zu dürfen oder das Recht, auch in der Ehe nicht vergewaltigt zu werden, wurden den Frauen erst vor 57, 42 und 22 Jahren zuerkannt. Und viele weitere Selbstverständlichkeiten, wie das Recht, über den eigenen Körper selbstbestimmt zu entscheiden, für die gleiche Arbeit genauso viel zu verdienen wie Männer oder auch an politischen Prozessen in gleichen Teilen beteiligt zu werden, warten sogar noch immer auf ihre Einlösung. Die Botschaft am hundersten Geburstags des Frauenwahlrechts ist deswegen eindeutig: Der Kampf um Gleichberechtigung ist nicht vorüber, er nimmt gerade erst an Fahrt auf„, bekennt der stellvertretende Vorsitzende der SPD in Wattenscheid-Mitte und Westenfeld, Jan Bühlbecker.

 

Quotierte Listen durchsetzen

Die Anzahl der Frauen im Bundestag ist beispielsweise seit 1998 rückläufig und beträgt in der laufenden Legislaturperiode gerade einmal noch 31%. Auf regionaler und kommunaler Ebene ist der Anteil sogar noch weit geringer: Auf 14 Ministerpräsidenten kommen gerade einmal zwei Landeschefinnen, auf neun Oberbürgermeister kommt im Schnitt bloß eine Oberbürgermeisterin und nur jedes vierte Mitglied eines Stadtrates oder Kreistages ist weiblich. Für den SPD-Kommunalpolitiker steht deswegen fest: „Es ist höchste Zeit für ein Paritätsgesetz!“

Ein solches Gesetz hätte zur Folge, dass nur Parteien, die einen entsprechend quotierten Listenvorschlag einreichen, an Wahlen teilnehmen dürften. Jan Bühlbecker: „Die Politik muss weiblicher werden. Dafür müssen wir im ersten Schritt die gläserne Decke, die Frauen* zuletzt oft den Zugang zu den besten Listenplätzen oder den aussichtsreichen Kandidaturen um Spitzenposten versperrte, mit einem Paritätsgesetz durchbrechen. Dadurch wird sich in der Folge auch die Zahl der politisch aktiven Frauen* erhöhen und sich die gesellschaftliche Realität, zu der gehört, dass Frauen* die Hälfte der Gesellschaft ausmachen, auch in den Parlamenten abbilden. Und ich bin davon überzeug, dass eine repräsentative Demokratie, welche die Gesellschaft auch wirklich repräsentiert, am Ende auch die bessere Politik macht!“