Die Wattenscheider Jusos trafen sich am heutigen 8. November um die Stolpersteine, die auch überall in Wattenscheid an jüdische Nachbar*innen, die von den Nazis verfolgt, ermordert oder in den Tod getrieben wurden, erinnern zu reinigen. Den gesamten Nachmittag über zogen sie vom Alten Markt entlang eines Übersichtsplan, um die Steine zu reinigen und das Erinnern damit zu ehren.
„Die Forderung, daß Auschwitz nicht noch einmal sei, ist die allererste an Erziehung. Sie geht so sehr jeglicher anderen voran, daß ich weder glaube, sie begründen zu müssen noch zu sollen.“
– Adorno
Dies taten sie am heutigen 80. Jahrestag der Reichspogromnacht, denn diese war ein staatlich inszenierter Zivilisationszusammenbruch und eben nicht nur verübt von den Nationalsozialisten sondern auch von denen, die bis dahin Nachbar*innen waren. Der größte Teil der Synagogen wurde in der Nacht niedergebrannt, Wohnungen und Geschäfte verwüstet, Menschen geprügelt, verschleppt und ermodert. Und der Opfern dieses Ereignisses, dass auch 80 Jahre später noch beschämt und entsetzt, zu gedenken ist an diesem Tag wichtigste Aufgabe aller Mitglieder der Zivilgesellschaft.
Dabei jährt sich die Reichsprogromnacht in diesem Jahr unter besonderen Umständen. Es ist unerträglich, dass auch 2018 – also 80 Jahre später – in unserem Land Synagogen, jüdische Kindergärten, Schulen und Gemeindehäuser von Sicherheitskräften beschützt werden müssen. Dass auf Demonstrationen offen antisemitische Parolen skandiert oder israelische Fahnen verbrannt werden. Dass im Internet gegen Jüdinnen und Juden gehetzt wird oder Juden, die eine Kippa tragen, auf offener Straße angegriffen werden. Hier ist weiter und wieder großer Handlungsbedarf. Ebenso ist nicht hinzunehmen, dass die sogenannte BDS-Bewegung zum Boykott Israels aufruft und die deutsch-israelischen Beziehungen massiv belastet. Aus dem „kauft nicht bei Juden“ ist ein „boykottiert Israel und kauft keine israelische Waren“ geworden. Das ist die gleiche hässliche und brutal-antisemitische Sprache.
Der stellvertretende Vorsitzende der SPD in Wattenscheid-Mitte und Westenfeld, Jan Bühlbecker, blickt deswegen auf diesen Nachmittag und seine Beweggründe, sich an der Aktion der Jungsozialist*innen zu beteiligen, wie folgt zurück: „Der 09. November 1938 war der dunkelste und schlimmste Tag in der deutschen Geschichte. Die Reichsprogromnacht steht aber auch sinnbildlich für die dunkelste und traurigste Zeit deutscher Geschichte und mit ihr für die größten Verbrechen der Menschheit. Unabhänig von aktuellen politischen Stimmungen, aber durchaus auch in Anbetracht dieser ist es deswegen wichtig in aller Klarheit zu bekennen: Jüdisches Leben gehört zu unserer Stadt, dessen Sicherheit zu gewährleisten ist für uns unabdingbar. Unser Kampf trägt eine klare Überschrift: Nicht nur heute, sondern an jedem Tag – Wider dem Faschismus! Und so dachten wir ehrfürchtig an die Opfer des Nationalsozialismus und bekennen, dass Ausschwitz nicht noch einmal seien darf!“
Bereits gestern hatte der Schulausschuss des Landestages von Nordrhein-Westfalens eine Erhöhung der Mittel für Gedenkstättenfahrten von Schulen beschlossen. Ab dem kommenden Jahr stehen den Schulen hierfür 250.000€ – ein Drittel mehr als der bisherige Etat – zur Verfügung. Dies hatte zuerst die SPD und anschließend auch die Regierungskoalition aus CDU und FDP beantragt, der Ausschuss folgte dem einstimmig. Dies begrüßt Jan Bühlbecker ausdrücklich: „Vor dem Hintergrund der abscheulichen Verbrechen aus der Reichspogromnacht und dem zunehmenden Rechtspopulismus in den westlichen Gesellschaften ist die Verbindung der Geschichte mit unseren aktuellen gesellschaftlichen Problemen enorm wichtig. Wir müssen aus den Fehlern der Geschichte lernen! Daher ist es ein richtiges und wichtiges Zeichen, dass der Schulausschuss der Mittelerhöhung zur Durchführung von Schulfahrten an Gedenkstätten zugestimmt hat.“