„Die Forderung, daß Auschwitz nicht noch einmal sei, ist die allererste an Erziehung. Sie geht so sehr jeglicher anderen voran, daß ich weder glaube, sie begründen zu müssen noch zu sollen.“
– Adorno
In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 begannen die nationalsozialistischen Pogrome gegen jüdische Mitbürger*innen in Deutschland. Der größte Teil der Synagogen wurde niedergebrannt, Wohnungen und Geschäfte verwüstet. So auch in Bochum: Es wurden zahlreiche Häuser wie auch die alte Synagoge niedergebrannt. Gleiches passierte auch in Wattenscheid: Hier in der Hellwegstadt wurde unter anderem auch das jüdische Gotteshaus zerstört. Die Synagoge in Wattenscheid befand sich an der Oststraße in Wattenscheid. Sie war von 1827 bis 1829 errichtet worden. Diese Nacht war das Signal des niederschmetternden Auftakts zum größten und schlimmsten Völkermord in der Geschichte der Menschheit. Die Reichspogromnacht am 09. November 1938 führte der Weltöffentlichkeit drastisch vor Augen, dass Jüdinnen und Juden überall in Deutschland brutal verfolgt wurden, getötet oder in Tod getrieben werden sollten.
Der Kinder- und Jugendring, der die zentrale Gedenkveranstaltung in Bochum federführend organisiert, schreibt:
„Die Erinnerung an die Zerstörungen vom 09. November 1938 an der Bochumer Synagoge, an jüdischen Läden im gesamten Stadtgebiet und an jüdischen Wohnungen bleibt verzerrt, weil fast ausschließlich SA-Männer mit den Verbrechen in Verbindung gebracht werden. Zwar berichteten damals Bochumer Zeitungen von ‚empörten Volksgenossen‘ oder ‚Volkszorn‘, der in der Nacht vom 09. auf den 10. November entbrannt war, aber inwiefern tatsächlich auch Teile der Bevölkerung an den Zerstörungen beteiligt waren, erfährt man erst genauer aus den Erfahrungsberichten der Opfer.“ Denn alles, was in dieser Nacht passierte: Die Plünderungen, Zerstörungen und Morde, geschah unter den Augen der Öffentlichkeit. Es war ein staatlich inszenierter Zivilisationszusammenbruch und eben nicht nur verübt von den Nationalsozialisten sondern auch von denen, die bis dahin Nachbar*innen waren. Und der Opfern dieses Ereignisses, dass auch 80 Jahre später noch beschämt und entsetzt, zu gedenken ist an diesem Tag wichtigste Aufgabe aller Mitglieder der Zivilgesellschaft.
Aber auch an den Widerstand gegen diese grausamsten Verbrechen soll erinnert werden, so der Kinder- und Jugendring weiter: „In Bochum gab es einen Gymnasiallehrer, der über seinen Dienstauftrag hinaus mit seiner Klasse seine Überzeugung in Taten umsetzte und die Wohnung der Schoenewalds zerstörte. Auch Else Hirsch – Lehrerin an der jüdischen Schule – engagierte sich über ihren Dienstauftrag hinaus und organisierte mit der Gemeindesekretärin Erna Philipp mehrere Kindertransporte, um jüdische Kinder in Sicherheit zu bringen.“
Drei Gedenkveranstaltungen in Bochum und Wattenscheid
Für die Bürger*innen in Bochum und Wattenscheid gibt es deswegen auch in diesem Jahr wieder verschiedene Angebote, zusammenzukommen und gemeinschaftlich innezuhalten:
- So findet aus diesem Grund bereits um 12 uhr ein Stadtrundgang durch Bochum unter der Leitung von Michael Niggemann statt, dabei wird an verschiedenen Stellen gezeigt, wer die Täter im Faschismus in Bochum waren und wie sie agierten.
- Da die traditionelle jüdische Sabbatfeier jedoch ebenfalls am Freitagabend beginnt, findet die alljährlich am 9. November stattfindende Gedenkveranstaltung an die Reichspogromnacht in Bochum deshalb in diesem Jahr bereits am Freitagnachmittag um 15 Uhr statt. Ort ist der Dr.-Ruer-Platz in der Nähe der Steelen, die an die zerstörte Bochumer Synagoge erinnern.
- Ebenfalls rufen die Jusos Wattenscheid auf, sich um 15 Uhr am Alten Markt in Wattenscheid zu treffen, um die Stolpersteine, die an ermorderte Jüdinnen und Juden erinnern, zu reinigen und so an die hiesigen Opfer des Nationalsozialismus‘ zu erinnerun und ihr ehrvolles Andenken zu wahren. Anschließend findet eine Gedenkveranstaltung der Bezirksvertretung im Wattenscheider Rathaus statt.
Historische Verantwortung gerade heute leben
Dabei jährt sich die Reichsprogromnacht in diesem Jahr unter besonderen Umständen. Es ist unerträglich, dass auch 2018 – also 80 Jahre später – in unserem Land Synagogen, jüdische Kindergärten, Schulen und Gemeindehäuser von Sicherheitskräften beschützt werden müssen. Dass auf Demonstrationen offen antisemitische Parolen skandiert oder israelische Fahnen verbrannt werden. Dass im Internet gegen Jüdinnen und Juden gehetzt wird oder Juden, die eine Kippa tragen, auf offener Straße angegriffen werden. Hier ist weiter und wieder großer Handlungsbedarf. Ebenso wollen und dürfen wir nicht hinnehmen, dass die sogenannte BDS-Bewegung zum Boykott Israels aufruft und die deutsch-israelischen Beziehungen massiv belastet. Aktivist*innen der BDS-Bewegung stören Vernanstaltungen, bei denen Israelis auftreten und sie demonstrieren vor Kaufhäusern, in denen Waren aus Israel angeboten werden – Aus dem „kauft nicht bei Juden“ ist ein „boykottiert Israel und kauft keine israelische Waren“ geworden. Das ist die gleiche hässliche und brutal-antisemitische Sprache.
Thorsten Nolte, Ratsmitglied Christina Knappe und Jan Bühlbecker rufen deswegen für die SPD in Wattenscheid-Mitte und Westenfeld besonders nachdrücklich zur Teilnahme an den Gedenkveranstaltungen auf: „Der 09. November 1938 war der dunkelste und schlimmste Tag in der deutschen Geschichte. Die Reichsprogromnacht steht aber auch sinnbildlich für die dunkelste und traurigste Zeit deutscher Geschichte und mit ihr für die größten Verbrechen der Menschheit. Unabhänig von aktuellen politischen Stimmungen, aber durchaus auch in Anbetracht dieser, rufen wir alle unserer Nachbar*innen und Mitbürger*innen auf, sich an den Gedenkveranstaltungen zu beteiligen und sich politisch klar zu positionieren: Jüdisches Leben gehört zu unserer Stadt, dessen Sicherheit zu gewährleisten ist für uns unabdingbar. Wir denken ehrfürchtig an die Opfer des Nationalsozialismus und bekennen, dass Ausschwitz nicht noch einmal seien darf!“